Ich habe hier seit drei Monaten nicht mehr gebloggt.
Das hat unter anderem den Grund, dass in die Berliner Bezirksverordnetenversammlungen und das Berliner Abgeordnetenhaus Fraktionen eingezogen sind. Fraktionen der Piratenpartei. Die Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin arbeitet sich, wie sollte es anders sein, ein. Das ist ein, wie wir selbst grade alle merken, sehr lehrreicher aber auch anstrengender Prozess. Die Ideale und Ideen der Piratenpartei müssen den Praxistest bestehen.
Gleichzeitig haben wir Geschichte geschrieben und befinden uns dabei, weiter Geschichte zu schreiben. Wir befinden uns im Auge des Sturms einer gesellschaftlichen Entwicklung, deren Ergebnis wir gar nicht vorhersagen können. Wir gestalten diese gesellschaftliche Entwicklung mit, was aufregend und Respekt einflößend zugleich ist.
Ich muss mich, das habe ich gemerkt, trotz der medialen Aufmerksamkeit die der Piratenfraktion und auch mir zu Teil wird wieder mehr darum kümmern, in diesem Blog zu beschreiben, wie es mir mit dem Abgeordnetendasein geht.
2012 wird daher ein paar Änderungen für diese Seite bringen:
Ich werde mich an Ulrich Kelbers Idee des gläsernen MdB orientieren und gläserner MdA werden. Das bedeutet, dass ich zukünftig z.B. Zusammenkünfte mit Lobbyisten und Lobbyorganisationen Zeitnah auf dieser Seite veröffentlichen werde.
Darüber hinaus werde ich mich natürlich auch an den anderen Dingen orientieren, die Kelber schon seit Jahren auf seiner MdB-Seite veröffentlicht.
Ich werde versuchen, meine Arbeit im Parlament nachvollziehbarer zu machen, insbesondere die Initiativen, an denen ich momentan arbeite.
Dabei merke ich: Natürlich habe ich immer mehr Ideen und Vorstellungen was man machen könnte, als ich dann tatsächlich auch umgesetzt bekomme. Aber vielleicht finde ich durch das Schreiben über Projekte, die ich leider nicht verwirklichen konnte Menschen, die sich dieser Themen annehmen.
Ich werde daher auch das bisher getane aufarbeiten, um es hier zu erklären.
Doch 2012 wird nicht nur für die Piratenfraktion und mich ein wichtiges Jahr, auch in der Piratenpartei müssen Weichen gestellt werden.
Landesvorstand Berlin
Ende Februar ist Landesmitgliederversammlung in Berlin. Bisher sieht es so aus, dass der bisherige Vorstand komplett aufhören wird. Als Piratenpartei Berlin müssen wir uns daher fragen, wie wir dieses Gremium zukünftig besetzen wollen. Auf der einen Seite hatte der Vorstand in der Piratenpartei immer einen verwaltenden Charakter, auf der anderen Seite steigen durch die errungenen Mandate und der damit verbundenen Verantwortung auch die Anforderungen an den Landesverband. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir uns weiter einen verwaltenden Vorstand leisten können und wollen, oder ob der Vorstand im Notfall auch ein Gegengewicht gegen eine Abgeordnetenhausfraktion sein muss, die naturgemäß sehr viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Daher habe ich eine LiquidFeedback Initiative gestartet, um auszuloten, was der Landesverband möchte.
Ich persönlich befürworte einen Landesvorstand mit klar definierten Kompetenzen. Nicht weil ich so sehr auf starre Konzepte stehe, sondern weil ich vielmehr der Meinung bin, dass allen Beteiligten klar sein muss, dass auf Vorstände vor allem eines zu kommt: Arbeit. Daher brauchen wir nicht fünf oder sieben oder 23 Vorstandsmitglieder, die für ein gutes Arbeitsklima oder mehr Kommunikation oder oder oder sorgen wollen. Wir brauchen Vorstände, die den durch die Partei definierten Aufgaben gewachsen sind. Das bedeutet aber auch, dass sich die Partei erst mal darauf einigen muss, was diese Aufgaben sind.
Meiner Meinung nach sind das für den Berliner Landesverband im speziellen:
- Die durch die Abgeordnetenhauswahl beigetretenen Mitglieder müssen sich zurecht finden und in den Landesverband integriert werden
- Der Berliner Landesverband muss sich an der programmatischen Weiterentwicklung des Bundesprogrammes beteiligen
- Es muss möglichst früh eine Debatte darüber stattfinden, wer für den Bundestag kandidieren möchte und nach welchen Kriterien sich der Landesverband Entscheidet. Hierzu gehört schlussendlich auch eine Diskussion über das Thema Frauen- und Migrantenquote.
- LiquidFeedback hat das Potential Parteitage komplett virtuell abhalten zu können. In Berlin wurde LiquidFeedback immer sehr intensiv genutzt. Meiner Meinung nach hat der Berliner Landesverband die Chance, den nächsten Schritt zu gehen und den Versuch zu wagen, einen virtuellen Parteitag durchzuführen. Doch auch hierzu müssen die Weichen gestellt werden.
- Der Landesvorstand muss auch im Zweifelsfall ein Gegengewicht zu einer Abgeordnetenhausfraktion sein können, die momentan die gesamte mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Es geht grundsätzlich um die Frage, ob der Landesverband Berlin einen Vorstand wünscht, der sich politisch einbringt oder nur verwaltet. Das Problem ist: Einen nur verwaltenden, ehrenamtlichen Vorstand wird man, bei der Aufgabenfülle die durch die neue Verantwortung auf uns alle zugekommen ist, nicht finden.
Leider erfährt der Berliner Landesvorstand viel zu wenig Anerkennung durch die Partei. Es ist aber nicht so, dass sich die Berlinerinnen und Berliner für die Piraten entschieden haben, weil sie die Menschen auf der Abgeordnetenhausliste so toll fanden. Sie haben uns gewählt, weil sie mit der Piratenpartei eine Hoffnung verbinden. Der Wahlkampf hätte ohne den unermüdlichen Einsatz von Insbesondere Gerhard Anger, Katja Dathe und Helge Eichelberg einfach nicht funktioniert. Ja, die gesamte Partei hat wie blöde geackert, aber der Vorstand trug immer eine besondere Verantwortung. Wie groß wäre der Shitstorm gewesen, wenn vermurkste Plakate bestellt worden wären? Die Wut hätte sich doch nicht gegen die Partei gerichtet, die nicht in der Lage war ordentliche Plakate zu entwerfen, sondern gegen einen Vorstand, der diese bestellt hat.
Das unterscheidet das Vorstandsmitglied dann eben doch vom einfachen Parteimitglied: Es muss im Zweifelsfall die Verantwortung für Entscheidungen tragen. Die Anerkennung für geleistete Arbeit wiederum ist bei uns sehr gering. Das bedeutet, der Vorstandsposten ist, so wie der Landesvorstand Berlin im letzten Jahr behandelt worden ist, nicht sehr attraktiv. Da verwundert es nicht, dass viele Vorstandsmitglieder nicht weiter machen wollen.
Natürlich gibt es neue Mitglieder, die der Aufgabe sicher gewachsen sind. Aber: Wir dürfen unsere Mitglieder nicht auf solchen Posten verheizen. Deswegen: Der Berliner Landesverband muss sich genau überlegen, was für einen Vorstand er haben möchte, welche Mitglieder er für diese Arbeit geeignet hält und wie er dann mit den gewählten Vorstandsmitgliedern umgehen möchte.
Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl im Bundesgebiet
16 Landesverbände müssen darüber hinaus Kandidaten für die Bundestagswahl 2013 aufstellen. Da die Piratenfraktion keine Nachrücker hat wird dieser Kelch an uns vorbei gehen, ehrlich gesagt bin ich auch sehr froh darüber. Die Erfahrungen mit der Berliner Kandidatenaufstellung waren ehrlich gesagt nicht nur positiv und die Vorstellung, während der Parlaments- und Parteiarbeit auch noch einen innerparteilichen Wahlkampf führen zu müssen behagt mir nicht unbedingt.
Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wen wir nominieren wollen. Das ist, angesichts der Umfrageergebnisse um die 6% eine Verantwortungsvolle Aufgabe. Gleichzeitig ist eine solche Listenaufstellung auch immer ein sozialer Konflikt. Daher ist jeder Landesverband gut beraten sich frühzeitig um den Aufstellungsprozess zu kümmern, um diesen sozialen Konflikt zu moderieren.
Fundraising
Gleichzeitig müssen wir Geld sammeln. Ein Wahlkampf kostet, das ist uns allen klar, Geld. Die Piraten sind in der Vergangenheit mit wenig Geld sehr effektiv umgegangen. Aber 2012 ist das Jahr, in dem die Wahlkampfkasse gefüllt werden kann. Jeder Landes-, Bezirks-, Kreisverband sollte sich Fundraising-Ziele stecken, damit 2013 nicht von der Hand in den Mund Wahlkampf geführt werden muss.
Der nächste Wahlkampf in den wir uns alle einbringen müssen ist der in Schleswig-Holstein. Hier haben wir zum zweiten Mal die Chance, in ein Landesparlament einzuziehen. Wir sollten diese Chance nutzen indem wir die Schleswig-Holsteiner auf der Straße davon überzeugen, Piratenpartei zu wählen und damit frischen Wind ins Kieler Parlament bringen. Überlegt euch jetzt schon, wie ihr grade in der heißen Phase den LV Schleswig-Holstein unterstützen könnt.
Bundesebene: Neuer Bundesvorstand, neues Programm
Und auch auf Bundesebene stehen Veränderungen an: Wir wählen einen neuen Bundesvorstand und langsam bringen sich Mitglieder für ihn in Stellung. Dabei müssen wir uns fragen, ob wir einen Bundesvorstand auf zwei Jahre wählen wollen, um uns 2013 die Wahl zu ersparen.
Wir müssen ein Programm für die Bundestagswahl ausarbeiten, schon dieses Jahr damit anfangen. Die Grundsteine sind gelegt, aber wir können uns nicht auf „Dazu haben wir noch keine Antwort“ ausruhen. Das ist eine Formulierung, die uns spätestens 2013 im Wahlkampf um die Ohren gehauen wird. Auch wenn wir im Moment nicht zu jeder Frage eine konkrete Antwort liefern können, so müssen wir doch zumindest die Diskussionsprozesse in der Partei klar und deutlich skizzieren, damit nachvollziehbar wird, womit wir uns seit 2009 beschäftigt haben. Daher ist ein klares Bekenntnis zu LiquidFeedback auf Bundesebene Notwendig, um zu demonstrieren, dass die Piratenpartei auch bei der Programmentwicklung einen zukunftsweisenden Weg einschlägt. LiquidFeedback ist nach wie vor das Alleinstellungsmerkmal der Piratenpartei, auch auf Bundesebene sollte die Anstrengung unternommen werden, programmatische Bundesparteitage mit LiquidFeedback durchführen zu können.
In einem Satz: Ende 2012 müssen wir kampagnenfähig sein, mit einem Bundesvorstand, der die Partei in der Öffentlichkeit glaubwürdig vertritt.
Zum Schluss noch ein paar Worte zum AGH:
Die Ausschussarbeit hat angefangen, wir arbeiten uns in verschiedene Themengebiete ein. Ich selbst bin im Innen- und Kulturausschuss tätig. In der Fraktion läuft im Moment sicher noch nicht alles perfekt, aber wir arbeiten jeden Tag daran, dass die Abläufe besser funktionieren. Solltet ihr konstruktive Kritik oder Ideen haben, wie man unsere Arbeit besser vermittelt: Immer her damit.
2012 wird die Piratenfraktion daran arbeiten, dass Geschichten um Salzstreuer in den Hintergrund gelangen, damit Geschichten wie ein verhinderter Schultrojaner in den Vordergrund kommen.
Auf ein erfolgreiches Jahr 2012!
Die Frage ‚Amtszeitverlängerung des BuVo auf 2 Jahre oder nicht‘ hat es ins LQFB geschafft und will dort diskutiert werden: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/issue/show/1260.html
Lieber Christopher, es tritt bei Dir ein, was ich auch nicht anders erwartet habe: Der Bezug zur harten Realität im Abgeordnetendasein mit der gesetzgeberischen Verantwortung zeigt auf, wie viel Substanz es noch erfordert, wirklich etwas zu (ver-)ändern. Deshalb reicht es nicht,nur, ein paar politische Ideen mit schönen Worten zu formulieren, sondern man muss dies in knallharte Gesetzesvorschläge münden lassen und diese offensiv vertreten. Und da bedarf es großer innerparteilicher Zu- und Mitarbeit, die Du wohl im Ergebnis mit Deinen Vorschlägen zu recht anforderst. Denn aus der Partei heraus muss die Willensbildung unter Einbeziehung der Abgeordneten erfolgen und die Abgeordneten müssen bzw. sollten dies dann auch im Parlament einbringen und vertreten. Aber schaue Dir das Parteiengesetz an, ganz so einfach mit LQFB als bestimmendes Organ und virtuellen Parteitagen geht es eben auch nicht. Das ist auch schon heiß diskutiert worden. Ich glaube für die Perspektive 2012/13 bist Du da noch nicht auf dem Boden der (rechtlichen) Realitäten angekommen. Daher müssen wir noch -um unanfechtbare Parteitagsbeschlüsse zu bekommen- vorläufig recht konventionell arbeiten, bis der rechtliche Rahmen steht. Aber ich bin bei Dir, es muss sich personel auch noch viel tun, Vorstände sollten auch politisch die Partei nach außen vertreten können und durchaus visionär sich artikulieren dürfen. Die Partei braucht ein Sprachrohr, das nicht nur sagt, darüber gibt es bei uns noch keinen Beschluss. Bald wird der Bürger dies nicht mehr so gelassen und positiv sehen. Und als Pirat will ich auch sehen, was mein Vorstand inhaltlich denkt und ggf. vorschlägt. Ein Vorstand muss auch mal Vordenker sein dürfen und die Basis stimmt zu oder lehnt ab. Und wir sind anders, wenn das auch transparent erkennbar wird und nicht wie woanders das Gefühl besteht, da ist was im Hinterzimmer ausgekungelt worden und die Basis wird nur noch gelenkt. .LG aus Leipzig Thomas Walter
„Wir müssen ein Programm für die Bundestagswahl ausarbeiten, schon dieses Jahr damit anfangen. Die Grundsteine sind gelegt, aber wir können uns nicht auf „Dazu haben wir noch keine Antwort“ ausruhen. Das ist eine Formulierung, die uns spätestens 2013 im Wahlkampf um die Ohren gehauen wird.“
Ich hab einfach mal angefangen: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/2383.html
So könnte man das prinzipell in jedem Themenbereich machen.
Viele Grüße
René
Zitat:“Es muss möglichst früh eine Debatte darüber stattfinden, wer für den Bundestag kandidieren möchte und nach welchen Kriterien sich der Landesverband Entscheidet. Hierzu gehört schlussendlich auch eine Diskussion über das Thema Frauen- und Migrantenquote. “
Warum eigendlich Quoten? Sollten nicht einzig und allein die Leistung und Befähigung entscheiden? Ungeachtet aller anderen Umstände!
Quoten führen immer zu Diskriminierung.
VG André
Ich finde auch, daß ein Vorstand mehr als nur verwaltend tätig sein darf. Im optimalen Fall bringt er auch neue Ideen. Wenn es der Basis nun überhaupt nicht passt, wird der Vorstand nach ein oder zwei Jahren wieder abgewählt.
Es sollte aber immer eine starke Verzahnung mit der Basis gegeben sein, die Alleingänge verhindert.