Alexander Hensel und Stefan Klecha haben die Piratenpartei über längere Zeit begleitet und haben eine lesenswerte Studie zur Piratenpartei veröffentlicht, deren Lektüre sich auch oder grade für Mitglieder lohnt. Hier ein Zitat aus dem Fazit:
„Zum Problem ist jedoch geworden, dass die aktiven Piraten immer stärker in eine selbstreferenzielle „Filter Bubble“ (Pariser 2012: 678) geraten sind: Jenseits der Aktivitäten ihrer Partei nehmen sie Politik und Gesellschaft kaum noch wahr, was insbesondere im niedersächsischen Wahlkampf zu einem Problem wurde, in dem Materialien, Aktionen und Veranstaltungen stark auf die Kernklientel zugeschnitten waren. Ähnliche Probleme zeichnen sich bei den Vorbereitungen der Partei auf die Bundestagswahl ab. Der Blick vieler Mitglieder verengt sich mittlerweile auf die Binnenperspektive ihrer Partei, und sie haben die Fähigkeit zur authentischen und unkonventionellen politischen Kommunikation deutlich eingebüßt.“ – Seite 86
Die ganze Studie könnt ihr unter folgendem Link finden.
Die Studie schreibt die Piraten nicht ab, lässt sich im besten Fall aber als Appell verstehen, dass für einen Langfristigen Erfolg eine deutliche Umorganisation der Partei stattfinden muss.
Der kurze Auszug hat mir gerade eben gezeigt, dass die vielen Menschen, die bereits seit Monaten den Piraten diese Kritik an den Kopf werfen (inklusive mir), ja irgendwo Recht hatten und einfach nicht angehört werden / wurden.
Erst wurdet ihr hochgejubelt, dann als Nerd-Partei belächelt und danach wurdet ihr auch wirklich eine. Selbst ich als Computermensch hatte so meine Probleme mit dem ständigen Insidergequatsche und dem Gefühl, dass eine gewisse Realitätsabgrenzung stattfindet.
Ich wünsche mir, dass die Piraten sich wieder mehr aktiv zusammentun und auch in der Öffentlichkeit wieder eine Stimme bilden.
Liebe Grüße
[…] Link (via Instapaper) […]
Welch eine Annahme: „Jenseits der Aktivitäten ihrer Partei nehmen sie Politik und Gesellschaft kaum noch wahr [..].“
Welch ein Satz! Und es sind sogar die richtigen Wörter, nur die Reihenfolge scheint mir etwas durcheinander. Ich sortiere einfach mal kurz neu:
„Ihre Aktivitäten werden jenseits ihrer Partei, in Politik und Gesellschaft, kaum noch wahrgenommen.“ – (Weil, jetzt haben viele Medien gerade „AFD“ ;-))
Ja, so klingt er richtiger.
Insbesondere politische Entwicklungen werden ja, wie wir alle wissen, nach Verwertbarkeit ausgesucht, journalistisch gewichtet, einsortiert und dann eventuell veröffentlicht. Das ist wohl nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Journalistenjobs. Tja, und letztendlich erfahren wir Wähler bekanntermaßen beinahe ausschließlich durch die Medien, ob ein Politiker oder eine Partei wählbar ist oder nicht. Und wer selten (positiv) in den Medien auftaucht, wird auch logischer Weise weniger gewählt. Fertig. Oder „Basta!“
Ob es bei den Piraten Überlegungen gab oder gibt, diese Tatsache gezielter zu nutzen und eventuell auch enttäuschte Journalisten wieder für ihre Idee zu begeistern, ist mir zurzeit nicht bekannt. Vielleicht wurde ja intern in letzter Zeit mehr Wert auf ein kontinuierliches Wachstum per „Netzdarstellung“ gelegt.
Mein Berater meinte jedenfalls kürzlich, die Piratenpartei sei in der „veröffentlichten Öffentlichkeit“ nach wie vor sehr stark mit dem Begriff der „Internetfreiheit“ verknüpft. Und im Zuge der Debatte zum sogenannten „Leistungsschutzrecht“, sei die diesbezügliche Position einiger „Leitmedien“ ja noch einmal besonders deutlich sichtbar geworden. Nicht nur die anderen Parteien seien also gegenwärtig politische Gegner, auch die Zeit der „sympathisierenden Berichterstattung“, über die noch vor kurzem als „erfrischend“ wahrgenommene Piratenpartei, hätte sich demnach fürs erste völlig erledigt und sei weitestgehend umgeschlagen. Da könnten sie nun auf umfangreiche Wahlprogramme verweisen oder Schuhe und Sandalen wechseln so oft sie wollen.
Da man gerade als Politiker die Medien jedoch keinesfalls offen kritisieren sollte, sitzen einige nun irgendwie in der Klemme. Weil, sich eine unvoreingenommene Berichterstattung wünschen und gleichzeitig die Medien, und sei es auch noch so dezent, für irgendetwas zu kritisieren, dass lassen sich diese erfahrungsgemäß nicht bieten. Und so verhalten sich einige Politiker wohl mancherorts lieber weitgehend still, arbeiten geflissentlich und warten gezwungenermaßen auf eine wiederkehrende Chance.
Soweit meine persönliche „Studie“.
Ohne die Studie komplett gelesen zu haben, ist sie wohl eher eine Beschreibung des aktuellen Problems. Die grundlegende Ursache ist doch das vorhandene Personal. Durch die Darstellung als Nerd- oder Außenseiterpartei wurden meines Erachtens viele Bürger, die grundsätzliche Einstellungen der Piraten teilen, abgeschreckt. Ob die Partei diese Menschen zum jetzigen Zeitpunkt noch für sich gewinnen kann, ist fraglich.