Die nächsten Wochen und Monate werden für die Piraten sehr interessant werden. Durch die Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen muss der Landesverband bereits am nächsten Wochenende eine Landesliste für die Landtagswahl am 13.5.2012 aufstellen. Während in Münster die NRW-Liste aufgestellt werden wird, finden gleichzeitig die Landtagswahlen im Saarland statt. Hier stehen die Piraten in aktuellen Umfragen bei 6%. Eine Woche vor der Berlin-Wahl hatten wir Umfragen zufolge 9%. Damals machten wir in der U-Bahn Werbung mit „Vertraue keiner Umfrage, wähle selbst!“. Gute Umfrageergebnisse sollten uns nicht faul oder genügsam werden lassen. Ich selbst empfinde 0% als ein deutlich anspornenderes Umfrageergebnis als neun oder 13, wie aktuell in Berlin. Nichtsdestotrotz kann uns im Saarland der zweite Einzug in ein Landesparlament gelingen, es würde uns mit Sicherheit weiter Auftrieb verleihen. Nicht zu vergessen findet grade in Schleswig-Holstein ein Wahlkampf statt, auch hier stehen wir mit aktuell 5% in den Umfragen. Gleichzeitig waren wir im Bund seit der Berlin-Wahl meines Wissens in keiner Umfrage unter fünf Prozent. Wenn wir uns also nicht mit einem übergroßen Kaliber ins Knie schießen, so könnte uns sogar 2013 der Einzug in den Deutschen Bundestag gelingen. Eigentlich ein Grund zur Freude. Warum bin ich nachdenklich?
Weil wir hier in Berlin seit einem halben Jahr mit Realpolitik konfrontiert sind und ich mir deswegen immer wieder dieselben Fragen stelle. Einige sind eher global, andere sind sehr kleinteilig. Im Kern dreht sich aber alles um die Frage, was wir als Partei in Deutschland verändern wollen und welche Prinzipien dieser Veränderung zu Grunde liegen sollen. Wir reden viel über Transparenz und Bürgerbeteiligung. Was es für uns konkret bedeutet haben wir nicht definiert. Wir reden über „Themen statt Köpfe“ und Basisdemokratie. Was das konkret bedeuten soll haben wir ebenfalls nicht definiert. Wir wollen nicht so werden wie „die Anderen“ haben aber noch gar nicht klar, was wir an „den Anderen“ gut oder schlecht finden. Alles in Allem: Wir hantieren parteiintern wie extern mit allerhand Vokabular herum, das vielleicht griffig, aber oft einfach nicht definiert ist. Das kann meiner Meinung nach eine Gefahr für uns werden. Wenn es uns nicht gelingt die Dinge, über die wir die ganze Zeit sprechen zu definieren, dann werden sie uns im Parlament auf die Füße fallen, dann werden andere sie für uns definieren und im Zweifelsfall ihre Definition gegen uns verwenden.
Bei all der Realpolitik und all den Dingen, um die wir uns momentan in Berlin im Parlament kümmern müssen, denke ich oft darüber nach, dass wir uns vor lauter Kleinkram nicht verlieren dürfen, sondern weiterhin eine große Linie verfolgen müssen. Für diese ist es aber unabdingbar, dass wir die Dinge, über die wir die ganze Zeit reden, endlich einmal definieren. Es muss um die Fragen gehen, was uns als Partei ausmacht: Was ist für uns ein anderer Politikstil? Was läuft an unserem momentanen politischen System gut/schlecht und was wollen wir daran wie verändern? Was ist Transparenz in Politik und Verwaltung, was ist Bürgerbeteiligung, was ist Basisdemokratie? Was sind unsere Lebenslügen? Wie wollen wir, vor allem parteiintern, mit Macht, Verantwortung und Führung umgehen? Wollen wir und wenn ja mit welcher anderen Partei, Regierungsverantwortung anstreben? Was ist unser Gesellschaftsentwurf? Wie wollen wir als Gesellschaft in 50 Jahren miteinander leben?
Sehr viele Fragen. Beim aufschreiben denke ich mir, man müsste sie im Rahmen einer eigenen Konferenz kären. Neben der Open Mind, die ja explizit an ein breites Publikum gerichtet ist, brauchen wir wahrscheinlich ein Treffen, an der die Piratenpartei weiter gedacht wird. Falls ihr Interesse an der Teilnahme an sowas hättet, lasst es mich bitte wissen.
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