Polizeirecht ist Ländersache und aus diesem Grund gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung zur Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten. Derzeit gibt es in neun Bundesländern hierzu Regelungen, in einigen per Gesetz, in anderen per Dienstanweisung.
Da CDU, FDP und AfD (!) im Landtag NRW beschlossen, die Kennzeichnungspflicht wieder abzuschaffen, möchte ich kurz erklären, warum das gefährlicher Quatsch ist und warum der Innenminister NRW hierzu gefährlichen Quatsch erzählt. (Als Randnotiz muss ich noch darauf hinweisen, dass CDU und FDP nicht in der Lage waren, einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Gesetzesänderung aus der letzten Legislaturperiode einfach rückgängig macht. Nein, sie fordern die Landesregierung NRW in einer zweiseitigen Entschließung auf, dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorzulegen.)
Was ist die Polizeikennzeichnung und wofür ist sie gut?
Unter einer Kennzeichnung versteht man ein Schild mit dem Namen oder einer individuellen Nummer, durch die Polizeibeamtinnen und Beamte identifiziert werden können.
In einem demokratischen Rechtsstaat müsste eine solche Kennzeichnung eigentlich selbstverständlich sein, denn die Polizei ist nicht irgendeine Institution im Staat, sie ist die einzige, die zur Durchsetzung ihrer Ziele Gewalt anwenden darf. Das ist das Gewaltmonopol des Staates. Das Gewaltmonopol ist eine zivilisatorische Leistung, die man gar nicht stark genug herausstellen kann. Denn wo der Staat das Gewaltmonopol inne hat und wahrnimmt, da einigt sich die Gemeinschaft darauf, sämtliche Konflikte ohne Gewalt zu regeln und die Anwendung von Gewalt grundsätzlich zu sanktionieren. Das ermöglicht die Abkehr vom Faustrecht und Recht des Stärkeren, hin zu einem Rechtssystem, in dem Streitigkeiten vor Gerichten geklärt werden können. Also insgesamt zu einer friedlicheren Gesellschaft.
Wer zur Durchsetzung seiner Ziele Gewalt anwenden darf, trägt große Verantwortung. Um dieser Gerecht zu werden, ist es üblich, Kontrollmechanismen zu installieren, die einmal den Träger der Sonderrechte an die Verantwortung erinnern und darüber hinaus Missbrauch vorbeugen. Kurz: Wer Verantwortung trägt, der muss Rechenschaft darüber ablegen, was er getan hat. Es ist hilfreich, sich hierzu die Definition von „Rechenschaft“ im Duden anzuschauen: „nähere Umstände oder Gründe anführende Auskunft, die man jemandem über etwas gibt, wofür man verantwortlich ist“. Rechenschaft und Verantwortung bedingen einander also gegenseitig. Ohne Rechenschaft wird man der Verantwortung, die man trägt, nicht gerecht. Verantwortung wird einmal durch die Polizei als Institution getragen, aber vor allem durch die individuellen Polizistinnen und Polizisten, die täglich im Einsatz sind und für ihr Handeln verantwortlich sind, also Rechenschaft darüber ablegen müssen. Das ist übrigens nichts besonderes, jeder, der von seinem Chef oder seiner Chefin schon mal gefragt wurde, was man heute so den ganzen Tag gemacht hat, weiß, dass eine Auskunft über geleistete Arbeit kein exklusives Phänomen des Polizeidienstes ist.
Wer ist dagegen?
Die Gegner der polizeilichen Kennzeichnung kommen vor allem aus den sogenannten Polizeigewerkschaften und den Rechten Parteien, die traditionell alles nachbeten, was aus den sogenannten Polizeigewerkschaften kommt und das als Innenpolitik verkaufen. Sie haben anscheinend ein Problem mit Verantwortung und Rechenschaft, wollen nicht, dass die Polizei unter „Generalverdacht“ gestellt wird. Aus der Pflicht, Rechenschaft über das eigene Handeln ablegen zu müssen einen wie auch immer gearteten „Generalverdacht“ zu basteln ist schon eine ziemlich mimosenhafte Verdrehung der Tatsachen. Autofahrerinnen und Autofahrer kommen ja auch nicht darauf, das Nummernschild ihres Fahrzeugs zum „Generalverdacht“ gegen ihre Fahrkünste hochzustilisieren, die Abschaffung der Autokennzeichnung zu fordern und darauf hinzuweisen, dass die Gesellschaft wieder mehr Respekt und Vertrauen in Autofahrer haben müsse. Aber das ist Rechte Diskussionstaktik: Irgendetwas behaupten, das gar nicht stimmt und das insbesondere auch von niemandem gesagt wurde, sich darauf bezogen in Opferpose werfen und weinerlich irgendetwas fordern.
So wie zum Beispiel Herbert Reul (65, Lehrer, seit seinem 32 Lebensjahr Abgeordneter), seines Zeichens frisch ernannter Innenminister NRWs. Am 29.8.17 verkündete er über den Twitter-Account des Innenministeriums NRW: „Anstatt unsere Polizisten unter Generalverdacht zu stellen, müssen wir als Gesellschaft wieder zu mehr Respekt und Vertrauen für die Polizei kommen. Diese Frauen und Männer sorgen dafür, dass wir in Sicherheit leben können.“
Das Statement fängt mit dem unsäglichen „unsere Polizisten“ an, was aber mittlerweile Standard rechter Parteien ist, nämlich die Polizei zu vereinnahmen. So spricht zum Beispiel auch die CSU von „unserer Polizei“. Die Polizei ist aber nicht irgendjemandes Polizei, sie hat sich, zumindest theoretisch, neutral und unvoreingenommen zu verhalten. Es ist im Rahmen der Gewaltenteilung im übrigen auch Aufgabe von Abgeordneten, die Exekutive zu kontrollieren, und alleine deswegen verbietet sich auch schon eine solch anbiedernde Vereinnahmung. Weiterhin bemerkenswert ist, dass Reul den Gegensatz „Generalverdacht“ vs. „Respekt und Vertrauen“ aufmacht. Denn was hängen bleibt ist, dass diejenigen, die sich für eine Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten aussprechen, anscheinend keinen Respekt und kein Vertrauen in die Polizei haben. Eine dreiste Unterstellung, die darüber hinaus auf der Behauptung aufbaut, es gäbe in der Gesellschaft zu wenig „Respekt und Vertrauen“ gegenüber der Polizei. Das ist so falsch, dass noch nicht mal das Gegenteil davon richtig ist. Denn laut GfK-Vertrauensindex vertrauen 82% der Deutschen Polizistinnen und Polizisten. Damit sind sie die siebt-vertrauenswürdigste Berufsgruppe in Deutschland. Mehr noch, mit 82% liegen Polizisten in Deutschland elf Prozentpunkte über dem europäischen Durchschnitt und 19 (!) Prozentpunkte über dem weltweiten Durchschnitt. Das bedeutet es gibt weltweit wahrscheinlich kein Land, in dem das Vertrauen in Polizistinnen und Polizisten noch größer ist als in Deutschland. Vor diesem Hintergrund zu behaupten, „die Gesellschaft“ solle der Polizei mehr Respekt und Vertrauen entgegen bringen ist ziemlich verlogen und frech. Mal abgesehen davon, dass Respekt und Vertrauen nicht verordnet werden können, sondern erarbeitet werden müssen.
Selbst der Satz, dass diese Frauen und Männer dafür sorgen, dass wir in Sicherheit leben können ist falsch. Denn ausgebildete Polizistinnen und Polizisten fallen ja nicht vom Himmel und das Geld mit dem sie ausgerüstet und entlohnt werden kommt auch nicht aus der Steckdose. Wir alle als Gemeinschaft sorgen dafür, dass wir in Sicherheit leben können. Indem wir uns dazu entschieden haben so zu leben, wie wir jetzt leben. In einem demokratischen Rechtsstaat mit Gewaltenteilung, zu der auch die gegenseitige Kontrolle der Gewalten untereinander gehört. Zu dem gehört, dass die Menschen entsprechend ihres Einkommens Steuerbeiträge entrichten, um gemeinschaftliche Infrastruktur aufzubauen und zu erhalten. Dazu gehört auch die Polizei. Und natürlich sorgt die konkrete Beamtin oder der konkrete Beamte in einer Situation für mehr Sicherheit. Aber es ist auch nicht so, dass wir dafür, dass da Menschen einem bezahlten Beruf nachgehen auf die Knie fallen müssen in unendlicher Dankbarkeit, dass hier Recht und Ordnung von der Polizei durchgesetzt werden. Genauso wie von jedem anderen Menschen erwartet wird, dass er die Arbeit, für die er sich entschieden hat, ordentlich verrichtet, kann man das wohl auch von der Polizei erwarten. Würde ich mich als Politiker darüber beschweren, dass Politik anstrengend und gemein ist, würde man mir einfach raten, was anderes zu machen.
Fazit und warum die Abschaffung schlecht ist
Die Berliner Polizei hat übrigens gute Erfahrungen mit der Kennzeichnung gemacht und sämtliche Befürchtungen, dass zum Beispiel Polizistinnen und Polizisten nachgestellt wird oder dass es zu gehäuften Anzeigen gegen Polizeibeamte kommt, konnten sich nicht bewahrheiten. Grade vor diesem Hintergrund ist es sehr bitter, dass die CDU/FDP-Koalition in NRW, mit Unterstützung der AfD, die erst im Dezember 2016 beschlossene Kennzeichnung wieder abschafft.
Das bedeutet für das Parlament, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger, weniger Kontrolle und weniger Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns. An die Polizistinnen und Polizisten NRWs ist es in meinen Augen genau das falsche Signal: Sie müssen nicht der Verantwortung gerecht werden, die mit dem Gewaltmonopol einher geht. Mal abgesehen davon, dass jeder ordentlich arbeitende Polizist ein Interesse daran haben müsste, dass schwarze Schafe schnell identifiziert werden können. Aber das geht jetzt auch nicht mehr. So erzeugt man, liebe sogenannte Polizeigewerkschaften, liebe CDU und FDP, übrigens einen Generalverdacht.