Zur illegalen Gesichts- und bald Mustererkennung am Berliner Südkreuz
am 1.8.2017, also genau vor einem Jahr, startete am Südkreuz ein Projekt der Bundespolizei zur Gesichtserkennung. Dieses Projekt sollte ursprünglich sechs Monate dauern, jetzt dauert es schon ein Jahr.
Was passiert genau? Besucherinnen und Besucher des Bahnhofs Südkreuz werden ohnehin im ganzen Bahnhof gefilmt. Rechtsgrundlage hierfür ist das Bundespolizeigesetz. In einem bestimmten Bereich jedoch, werden die Bilder noch weiter verarbeitet. Eine Software zur Gesichtserkennung gleicht alle gefilmten Gesichter ab, mit einer Datenbank der Bundespolizei, in der vorher Freiwillige biometrische Fotos ihrer Gesichter hinterlegt haben.
Für diesen Abgleich der gefilmten Gesichter mit der Datenbank der Bundespolizei gibt es keine Rechtsgrundlage. Daher hat sich die Bundespolizei bei den Freiwilligen die Einwilligung zur Verarbeitung geholt. Bei allen anderen Menschen, die jeden Tag durch die Software erfasst und abgeglichen werden, gibt es keine Einwilligung, es fehlt also die Rechtsgrundlage, es ist also illegal.
Die Bundespolizei stellt sich auf den Standpunkt, der Bereich sei ja markiert, man könne ihn also meiden. Erstens ist die Markierung vor Ort ein Witz, zweitens ist das Lebensfremd, da zum Beispiel eine stark frequentierte Rolltreppe im (schlecht markierten) Gesichtserkennungsbereich liegt und drittens dürfte die Markierung eines Videoüberwachten Bereichs auf diese Art nicht ausreichend sein, um sich bei den Betroffenen die Einwilligung zur Verarbeitung der Daten einzuholen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 – Rn. (1-58)).
Das Projekt soll jetzt übrigens noch weiter ausgebaut werden, im nächsten Schritt soll, wie netzpolitik berichtet, Software getestet werden, die auffälliges Verhalten automatisch erkennen soll.
Keine parlamentarische Kontrolle, kein mediales Interesse, keine Intervention der Datenschutzbeauftragten
Dabei ging die Bundespolizei und das Bundesministerium des Innern geschickt vor, um parlamentarische Kontrolle zu verhindern bzw. so unwahrscheinlich wie möglich zu machen. Der Test startete im Bundestagswahlkampfjahr zu Beginn der Sommerpause, d.h. man stellte sicher, dass sich das Parlament keinesfalls damit beschäftigen wird. Die Medien interessierten sich ein wenig dafür, übernahmen aber alle fast ausnahmslos die in meinen Augen mutwillig falschen Darstellungen der Bundespolizei und des Bundesministerium des Inneren. Die Frage nach der Rechtsgrundlage wurde kaum gestellt und wenn, dann übernahm man die Darstellung der Bundespolizei, ohne unabhängigen juristischen Sachverstand einzuholen. Die zuständige Bundesdatenschutzbeauftragte wurde nur hellhörig, als sich herausstellte, dass die von den Testpersonen mitgeführten Transponder wohl mehr Daten sammeln, als in der Datenschutzvereinbarung geregelt, was eine totale Nebelkerze war, denn von allen Dingen, die an diesem Test illegal sind, sind die Transponder Kleckerkram. Ansonsten hat die Bundesdatenschutzbeauftragte an dem Test wohl überhaupt nichts auszusetzen.
Unabhängige Zahlen darüber, wie gut oder wie schlecht das System im Test funktioniert, gibt es natürlich nicht. So werden ausschließlich von der Bundespolizei kryptische Zahlen präsentiert, die natürlich feststellen, dass das ganze ein Erfolg ist. Das heißt es gibt weiterhin keine auf Fakten basierte Sicherheits- und Innenpolitik, sondern Sicherheitsesoterik.
So sieht er also aus, der deutsche Rechtsstaat. Die Bundespolizei schafft sich am Südkreuz ihren eigenen rechtsfreien Raum und testet dort Software für den Überwachungsstaat und es interessiert niemanden. Es gibt keine parlamentarische Kontrolle, es gibt kein beherztes Eingreifen der Bundesdatenschutzbeauftragten, es gibt keine öffentliche Debatte.
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